Health Claims bei Vitalpilzen – Welche Aussagen sind erlaubt?

Die Mykotherapie und ihr gesetzlicher Status

Produkte der Mykotherapie (Pilzheilkunde) sind ebenso wie die Produkte der Aromatherapie und der Phytotherapie als Nahrungsergänzungsmittel eingestuft. Die Zusammensetzung, das Inverkehrbringen, die Etikettierung und die Werbung für Nahrungsergänzungsmittel unterliegen spezifischen europäischen und nationalen Vorschriften.

Wie bei der Phytotherapie sind jedoch auch für Mykotherapie-Produkte keine gesundheitsbezogenen Angaben erlaubt. Im Klartext: Wirkungen auf die Gesundheit dürfen nicht ausgelobt werden. Auch dann nicht, wenn einzelne Studien einem Vitalpilz eine Wirkung zusprechen. 

Dies betrifft sowohl die Etikettierung der Nahrungsergänzungsmittel in der Mykotherapie als auch sämtliche Werbemaßnahmen rund um die Produkte. Lesen Sie hier die Folgen dieses Verbotes für den Verbraucher:

BEARBEITET VON KOMMUNIKATION HIFAS DA TERRA 11/11/2022

Regulatorischer Status der Mykotherapie: Ein “Sonderfall“

Um die Gründe dafür zu verstehen, warum derzeit keine gesundheitsbezogene Angaben zur Mykotherapie bestehen, sind zunächst die geltenden Vorschriften zu beachten.

Medizinische Pilze werden in Europa als Nahrungsergänzungsmittel eingestuft. Parallel dazu nehmen die EU-Mitgliedstaaten eine Umsetzung der europäischen Verordnung auf nationaler Ebene vor, was leichte Abweichungen mit sich bringen kann. In Frankreich werden Pilze beispielsweise als „Sonderfälle” betrachtet.

Mit anderen Worten: Die europäischen Rechtsvorschriften für die Phytotherapie gelten auch für Pilze, wenn ihre Verwendung als nicht neuartig in Nahrungsergänzungsmitteln anerkannt wird. Maßgebend ist hierfür die sogenannte Novel-Food-Verordnung (EU) Nr. 2015/2283.

Mykotherapie und Novel Food

Die seit dem 1. Januar 2018 wirksame Novel-Food-Verordnung wird EU-weit angewendet. Somit sind alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 in der Europäischen Union in vernachlässigbarem Umfang von Menschen verzehrt wurden, von dieser Verordnung betroffen. 

Wie Sie sicher bemerkt haben, fällt der Verzehr der meisten Vitalpilze in Europa unter diese neue Verordnung. Im Allgemeinen werden Pilzmyzelien als Novel Food betrachtet. Bevor Myzelien in der EU auf den Markt gebracht werden können, ist daher gemäß der Verordnung eine Sicherheitsbewertung erforderlich. Derzeit ist nur Shiitake-Myzel in der EU zugelassen.

Allerdings: Wir bei Hifas da Terra sind davon nicht betroffen, da wir nur den oberirdischen Teil der Pilze anbieten: die Sporophore. In Europa werden unsere Pilze daher auf die gleiche Weise betrachtet wie die Phytotherapie.

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Was sind Gesundheitsbezogene Angaben in Nahrungsergänzungsmitteln (NEM)?

Hersteller nutzen gesundheitsbezogene Angaben (Health Claims) auf der Etikettierung von Lebensmitteln oder in der Werbung für ihre Produkte (z. B. Produktbeschreibung im Online-Shop). In der Praxis verwendet man Health Claims unter anderem für funktionelle Lebensmittel. Wesentlich relevanter sind sie allerdings für Nahrungsergänzungsmittel.
Bei gesundheitsbezogenen Angaben handelt es sich um alle Aussagen, Bilder oder Symbole, die behaupten, suggerieren oder implizieren, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und der Gesundheit besteht.
Ein bekanntes Beispiel ist Vitamin C. Für dieses Vitamin ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, mit dem zugelassenen Health Claim “Trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ zu werben.

Wie läuft das Verfahren zur Vergabe von gesundheitsbezogenen Angaben für NEM ab?

Im Rahmen des Vergabeverfahrens werden die gesundheitsbezogenen Angaben vorab von einer Expertengruppe der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) bewertet. Dazu legt der Antragsteller Daten vor, die den Wortlaut der dem Ausschuss vorgelegten Behauptung unterstützen. Anschließend werden wissenschaftliche sowie sicherheitsrelevante Bewertungen durchgeführt. Dieser Prozess trägt dazu bei, den Wahrheitsgehalt und die Genauigkeit der untersuchten Aussagen (Claims) zu gewährleisten.

Im Falle eines positiven Urteils ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Angabe über den Inhaltsstoff für die kommerzielle Nutzung freigegeben wird. Im Gegensatz dazu verhindert ein negatives Urteil häufig, dass die Angabe verwendet wird, wobei diese Ablehnungen aus verschiedenen Gründen erfolgen können. Dies kann passieren, wenn…

  • … die Aussagen zu vage sind (Beispiel: steigert die Energie).
  • … die Auswirkungen auf die Gesundheit unklar sind.
  • … die Bestandteile der Rezeptur nicht ausreichend definiert sind.
  • … die wissenschaftlichen Daten die beantragte Angabe nicht widerspiegeln.

Die Stellungnahmen der EFSA haben jedoch nur beratenden Charakter. Letztendlich entscheidet die Europäische Kommission darüber, ob eine Verordnung mit neuen Health Claims veröffentlicht wird oder nicht.

Wenn Sie an den Ergebnissen der EFSA-Bewertungen interessiert sind, steht Ihnen auf der Website der Kommission eine Liste zur Verfügung, die Sie hier einsehen können: https://www.efsa.europa.eu/de/methodology/guidance

Welche Nutzen bieten gesundheitsbezogenen Angaben bzw. Health Claims?

Die Existenz gesundheitsbezogener Angaben ist grundsätzlich für alle Beteiligten von Vorteil: 

  • Gesundheitsbezogene Angaben ermöglichen es den Endverbrauchern, sich dank verlässlicher Informationen leichter in einem Überangebot zu orientieren und für ein Produkt zu entscheiden.
  • Dank der Existenz von gesundheitsbezogenen Angaben entsteht zwischen den Anbietern von Nahrungsergänzungsmitteln ein gesunder und fairer Wettbewerb. Außerdem tragen diese Angaben dazu bei, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten.
  • Voraussetzung für all diese Vorteile ist, dass die Informationen für den Verbraucher verständlich sein müssen. Die ESFA bewertet die Anträge regelmäßig und berichtet über das Ergebnis der Bewertung.
Mykotherapie-Produkte

Warum dürfen wir keine gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims) für Vitalpilz-Produkte treffen?

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zahlreiche zur Prüfung eingereichte Angaben befinden sich in der Warteschleife, einige wurden abgelehnt und zudem erschweren die gegebenen Bewerbungsmodalitäten sowie hohe Antragskosten die Anerkennung von gesundheitsbezogenen Angaben für Produkte in der Mykotherapie.

Viele Mykotherapie-Angaben befinden sich in der Warteschleife

Nur eine geringe Anzahl von Angaben erhielt eine positive Stellungnahme der EFSA. Von den 4637 Anträgen wurden nur 229, die sich hauptsächlich auf Vitamine und Mineralien beziehen, angenommen. 

In dieser Liste befinden sich etwa 1550 Angaben zu Pflanzen, für die eine Entscheidung der Kommission noch aussteht. Auch einige Vitalpilze, die mit gesundheitsrelevanten Eigenschaften in Verbindung gebracht werden, sind in dieser Liste enthalten, vor allem der Reishi (Ganoderma lucidum) und der  Sonnenpilz (Agaricus blazei).

Der Grund für die noch nicht erfolgte Bestätigung und Ablehnung dieser gesundheitsbezogenen Angaben liegt in der schwierigen Bewertung der vorgebrachten Angaben und Studienergebnisse bei Pflanzen oder Pilzen. Außerdem lässt man prüfen, ob die traditionelle Anwendung bei der wissenschaftlichen Bewertung berücksichtigt werden kann, um die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Produkte zu begründen. 

Eingereichte Aussagen über Mykotherapie wurden abgelehnt 

Zwischen 2009 und 2011 wurden zahlreiche gesundheitsbezogene Angaben über Pilze bzw. Vitalpilze bei der EFSA eingereicht. Die EFSA bestätigte diese nicht.

Die Gründe für die Ablehnung lagen alle in einem Mangel an wissenschaftlichen Beweisen, die dem Ausschuss mit dem Antrag vorgelegt wurden. Betroffene Pilze sind

Die Ablehnung dieser Vielzahl an gesundheitsbezogenen Angaben bzw. Wirkungen betrifft nicht nur die Mykotherapie. So wurde beispielsweise im Jahr 2009 keine einzige gesundheitsbezogene Angabe zur Phytotherapie positiv bewertet. 

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Bewerbungsmodalitäten und hohe Kosten bremsen die Anerkennung der Mykotherapie

Die von der Kommission vorgenommene Bewertung der wissenschaftlichen Nachweise ähnelt der Bewertung von Arzneimitteln

Dadurch wird es für ein Nahrungsergänzungsmittel sehr schwer, eine positive klinische Wirkung bei gesunden Menschen nachzuweisen. So räumt die EFSA ein, dass das Fehlen geeigneter Studien am Menschen nach wie vor einer der Hauptgründe für die Ablehnung von Anträgen auf die Zulassung einer Angabe ist. 

Aus diesem Grund hat die EFSA im Übrigen im Jahre 2010 die Bewertung von gesundheitsbezogenen Angaben zu Heilpflanzen & Heilpilzen ausgesetzt. 

Ein weiterer Grund für die geringe Anzahl von gesundheitsbezogenen Angaben in der Mykotherapie sind die hohen Kosten für die Antragstellung. Die Einreichung eines Antrags auf eine gesundheitsbezogene Angabe ist mit Kosten zwischen 250 000 und 500 000 Euro verbunden. Diese Kosten sind für die meisten Unternehmen in unserem Sektor schlichtweg zu hoch, weshalb sehr häufig von Anträgen abgesehen wird.

Warum nutzen Hersteller dennoch gesundheitsbezogene Angaben für Vitalpilz-Produkte?

Erinnern Sie sich daran, dass Sie schon einmal Wirkversprechen auf den Etiketten oder in der Werbung für Produkte der Mykotherapie gesehen haben? Das ist sehr wahrscheinlich. Nach der Vielzahl an Ablehnungen durch die EFSA stellt sich nun aber die berechtigte Frage: Ist das nicht illegal? Nein, nicht unbedingt. Bei der Bewertung dieser Aussagen sind mehrere Faktoren zu beachten. Im Folgenden erfahren Sie mehr:

Eine Angabe im Zusammenhang mit einem anderen Bestandteil 

Wie bereits erwähnt, beziehen sich die meisten von der Europäischen Kommission akzeptierten gesundheitsbezogenen Angaben auf Vitamine & Mineralien. Wenn also Mykotherapie-Produkte diese Substanzen in ihren Rezepturen enthalten und zudem die erforderlichen Rahmenbedingungen erfüllt sind, ist es möglich, die Wirkungsaussagen zu nutzen. Die gesundheitsbezogene Angabe bezieht sich in dem Fall nicht auf den Vitalpilz, sondern auf einen in dem Produkt enthaltenen Mikronährstoff (z. B. Vitamin C, Zink, …).

Eine Behauptung, die auf ein Urteil wartet

Wie Sie inzwischen wissen, existiert eine Warteliste mit aktuell rund 1 550 gesundheitsbezogenen Angaben zu pflanzlichen Substanzen (darunter auch Pilze). Bis zu einer endgültigen Entscheidung dürfen diese Angaben noch verwendet werden! 

Auf Etiketten oder in der Werbung für Reishi oder den Sonnenpilz kann man Hinweise zu bestimmten Wirkungen finden, ohne dass man sich der Richtigkeit sicher sein kann.

Eine missbräuchlich verwendete Behauptung 

In Deutschland ist das BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) für den Verbraucherschutz zuständig und überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen auf dem Markt für Nahrungsergänzungsmittel. 

Leider ist Missbrauch weit verbreitet, vor allem, da es manchmal schwierig ist, die Gesetze auch durchzusetzen, vor allem im Internet. Um sich einen Vorteil zu verschaffen, schrecken einige Unternehmen nicht davor zurück, unzulässige Angaben auf der Website anzugeben. Diese lassen sich im Zweifelsfall schnell wieder entfernen. Da kritische Angaben auf dem Etikett hingegen wesentlich angreifbarer sind, werden fragwürdige Aussagen auf der Verpackung tendenziell eher vermieden.

Wie steht es um die Zukunft der Mykotherapie?

Wenn man die horrenden Kosten, das hohe Anforderungsniveau und das große Ablehnungs-Risiko gegeneinander abwägt, wird deutlich, dass für Produkt-Innovationen im Bereich der Mykotherapie zahlreiche Hürden bestehen.

Wie die Anbieter im Bereich der Phytotherapie verfolgen auch wir sehr genau, was die Europäische Kommission in Bezug auf die künftigen Kontrollmodalitäten für gesundheitsbezogene Angaben beschließen wird. Wir werden Sie zu gegebener Zeit sicher noch einmal darüber informieren..

Abgesehen davon halten uns diese Schwierigkeiten nicht davon ab, unsere Forschungsarbeit fortzusetzen. Wir bei Hifas da Terra sind von den Vorteilen von Pilzen überzeugt und investieren einen großen Teil unserer Gewinne in die Forschung. Gleichzeitig stellen wir mit Freude fest, dass die Mykotherapie in den letzten zehn Jahren einen beispiellosen wissenschaftlichen Aufschwung erlebt hat.

Auch wenn die Zahl der klinischen Studien (am Menschen) noch gering ist. Es besteht kein Zweifel daran, dass die öffentliche und private Forschung in den nächsten Jahren Beweise erbringen wird, die den Anforderungen der EFSA genügen werden. 

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